211111_Dymatize_04250vDauVLTeZtVMX

To grow or not to grow – Die Regeln des Muskelwachstums

Krafttraining lässt die Muskeln wachsen. Um das Wachstum aber optimal ausnutzen zu können, sollten wir verstehen, wodurch Hypertrophie, also Muskeldickenwachstum, ausgelöst wird.

Wenden wir uns also ab von allen Mythen oder dubioser Bro-Science und richten unseren Blick auf die Wissenschaft. Denn es gibt viele Erkenntnisse, die wir uns direkt zu Nutze machen können und sollten.

 

Mechanismen der Hypertrophie

Es gibt drei grundlegende Auslöser für Muskelwachstum (1):

  • Trainingsinduzierte Muskelschädigungen
  • Mechanische Spannung
  • Metabolischer Stress  

 

Das kleine Rad: Trainingsinduzierte Muskelschädigungen

Dies sind feine Schädigungen des Muskels auf mikroskopischer Ebene. Die hierdurch hervorgerufenen Entzündungsprozesse sowie die anschließende Muskelproteinreparatur führen zu Muskelwachstum (2). Besonders die exzentrische, also nachgebende Phase der Belastung (z.B. das Absenken der Hantel beim Bankdrücken), löst diese kleinen Schädigungen aus. Wie können wir diesen Effekt nun gezielt für unser Training nutzen?


Negative Wiederholungen
:

In der nachgebenden Phase (Exzentrik) ist es uns möglich, ca. 25% mehr Kraft aufzubringen, als in der überwindenden Phase (Konzentrik). Um diesen Kraftvorteil bei negativen Wiederholungen gezielt einzusetzen, wird im Training eine hohe Last (langsam) abgesenkt und dann mit Unterstützung des Trainingspartners angehoben. Dadurch ist es uns möglich, größere Lasten zu nutzen, die wir alleine nicht bewältigen könnten. Eine Variante negative Wiederholungen einzubauen ist einen maximal auslastenden Satz mit 4-6 Wiederholungen durchzuführen und die Last für weitere  2-3 Wiederholungen  kontrolliert abzusenken und mit Hilfe des Trainingspartners anzuheben. Diese Technik wird nur bei ein bis zwei Übungen pro Training eingesetzt.

 

Die zwei großen Stellschrauben

Die wichtigsten Auslöser für Hypertrophie, sind mechanische Spannung und metabolischer Stress (2,3). Dementsprechend sollten wir diese optimal in unser Training einbauen. Klären wir aber erst einmal, was die großen Stellschrauben für Muskelwachstum genau sind.

 

Mechanische Spannung

Mechanische Spannung ist wahrscheinlich der einflussreichste Stimulus, um Hypertrophie zu triggern (4). Dabei sind zwei Faktoren entscheidend:

1.Die Höhe der Spannung, die auf den Muskel wirkt - also das bewegte Gewicht.

2. Die Anzahl der Wiederholung – also wie lange die Spannung auf den Muskel wirkt

Wir benötigen somit eine optimale Kombination aus viel Last und genügend Wiederholungen.

Denn auch wenn wir die maximale Spannung mit dem höchst möglichem Gewicht erreichen, dass wir für eine Wiederholung nutzen können (1RM oder 1 Repetition Maximum), dauert diese Wiederholung nicht lange. Nutzen wir ein maximales Gewicht für 5 Wiederholungen (5RM), haben wir immer noch sehr hohe Spannung und diese wirkt über einen fünf Mal so langen Zeitraum. Das bedeutet, mehr Reiz für unsere Muskeln zu wachsen.

Dementsprechend findet sich der perfekte Bereich für mechanische Spannung bei 4 - 8 Wiederholungen, bei maximaler Last. Für diesen Wiederholungsbereich eignen sich aber ausschließlich mehrgelenkige Übungen, da nur hier die Last hoch genug ist. Eine Unterteilung nach Movement Patterns oder Übungstypen erleichtert uns eine sinnvolle Auswahl für das Training. 

                                                                     

Movement Pattern

Squat

Hinge

Push

Pull

Übung 1

Kniebeuge (vorne/hinten)

Hackenschmidt, Beinpresse

Kreuzheben,

Bankdrücken (Kurz- oder Langhantel)

Rudern (Kurz- oder Langhantel)

Übung 2

Lunge

Hipthrust

Schulterdrücken (Kurz- oder Langhantel)

Klimmzüge (wenn notwendig mit Bandunterstützung)

 

Empfehlenswert ist hier, mindestens eine Variante jedes Movement Patterns in einer Trainingswoche einzuplanen. Je nach Split, können z.B. am „Beintag“ Kniebeugen und Lunges (Ausfallschritte) gemacht werden. 

 

Hypertrophie_detailimage

 

Metabolischer Stress

„If it burns it grows“ sagte schon Arnold. Was er dabei meinte, bezeichnet man als trainingsbedingte metabolische Belastung. Dies steht für die Ansammlung der Stoffwechselprodukte Laktat, anorganischem Phosphat und H+, welche durch das Training ausgelöst werden (5). Die Erhöhung dieser Stoffe aktiviert Testosteron, Wachstumshormon und IGF 1 (insulin like growth hormon). Diese Hormone sorgen dann dafür, dass unsere Muskeln wachsen(6).

Um möglichst hohen metabolischen Stress durch das Training zu erzeugen, sollte ein Satz zwischen 15 und 120 Sekunden dauern. Dies entspricht 10 - 20 Wiederholungen, je nach Ausführung und Bewegung.

Zudem können einige Intensivierungstechniken in das Training integriert werden, um die positive Wirkung des metabolischen Stresses voll auszuschöpfen. 

 

Intensivierungstechniken für erhöhten metabolischen Stress

Methode

Ausführung

Wiederholungsbereich

Sätze

Dropset

Nach den gewünschten Wiederholungen wird das Gewicht reduziert und bis zur Ausbelastung weiter trainiert. Diesen Schritt kann man 1-4 mal durchführen

8-12 Wdh

2-3 mit je 2-3 Gewichtsreduktionen

Superset

Zwei Übungen für die gleiche Muskelgruppe werden direkt nacheinander absolviert. Z.B. Dips und Trizepspressdowns

8-15 Wdh

2-4 Sätze

Timed Set / continuous tension set

Ziel ist es, ein bestimmtes Gewicht über eine feste Zeit hinweg kontinuierlich zu bewegen

30-60s

3-5 Sätze

  

Das Blood Flow Restriction Training ist eine weitere Technik um den metabolischen Stress effektiv zu erhöhen. Da dieser Technik jedoch eine fortgeschrittene Trainingserfahrung bedarf, wird diese Methode hier nur vollständigkeitshalber erwähnt und sollte auch nur von erfahrenen Kraftsportlern eingesetzt werden. 

Alle Intensivierungstechniken eignen sich besonders für Isolationsübungen oder Kurzhanteltraining. Bei komplexeren Übungen führt die Ermüdung zu schnell zu technischen Fehlern. Somit ist die Gefahr einer Verletzung hier zu groß. Eine gute Faustregel ist: pro Training, eine Intensivierungstechnik für 1-2 Muskelpartien auszuwählen.

 

Der Masterplan

Nun geht es an die Trainingsplanung und daran, wie wir die beiden Hauptmechanismen verbinden, um das Muskelwachstum zu optimieren.

Die Grundlage dafür bilden die Hauptübungen und die mechanische Spannung. Wir wählen also aus der Tabelle der Movement Patterns, je nach bevorzugtem Split, mindestens eine Übung pro Pattern aus. Der Fokus liegt hier auf schwereren Lasten: 3-5 Sätze à 4-8 Wiederholungen.

 

Diesen Hauptübungen folgen Isolationsübungen, Übungen an Geräten oder mit Kurzhanteln. Hier machen wir uns die metabolische Belastung zu Nutze und trainieren möglichst bis zur muskulären Erschöpfung, in einem Bereich von 10-20 Wiederholungen. Gerade um zeiteffizient zu arbeiten, lohnen sich Supersätze und andere Intensivierungstechniken wie Dropsets - so schaffen wir viel Arbeit in kurzer Zeit. Pro Trainingseinheit und Muskelgruppe sind 40-70 Wiederholungen optimal (7). Wichtig ist hierbei, auch auf Überschneidungen zu achten! So trainieren Dips oder auch Bankdrücken nicht nur die Brust, sondern auch Trizeps und die vordere Schulter.

Auch die Pausenzeiten sollten wir immer im Blick haben. Für ein Hypertrophie-Training erweist sich eine Pausenzeit von ca. 120 Sekunden als optimal (8).

Die Übungen sollten in regelmäßigen Abständen variiert werden. Empfehlenswert ist ein vier Wochenrhythmus, spätestens aber dann, wenn kein Fortschritt in der Übung mehr möglich ist.

Autor: Sebastian Kaindl 

Haftungsausschluss

Die Umsetzung der in diesem Artikel/Video geschilderten Übungen, Trainings- und/ oder Ernährungsinformationen und -empfehlungen erfolgt auf eigene Gefahr und kann keine persönliche und individuelle Beratung ersetzen. Insbesondere bei Personen unter 18 Jahren, gesundheitlichen Einschränkungen (insbesondere orthopädischen oder internistischen Beschwerden/Erkrankungen), in der Schwangerschaft oder in der Stillzeit sollte vorab grundsätzlich ein Arzt zu Rat gezogen werden. Sollten bei der Umsetzung von Trainings-und Ernährungsmaßnahmen Beschwerden auftreten, sollte immer unverzüglich ein Arzt konsultiert werden. Die Active Nutrition International GmbH übernimmt keinerlei Haftung.

 

Sources:

(1) Schoenfeld, B.J. (2012). The mechanisms of muscle hypertrophy and their application to resistance training. J. Strength Cond. Res, 24, 2857-2872.
(2) Evans, W.J., & Cannon, J.G. (1991). The metabolic effects of exercise-induced muscle damage. Exerc. Sports Sci. Rev, 19, 99 -125.
(3) Fry, A.C. (2004). The role of resistance training exercise intensity on muscle fiber adaptations. Sports Med, 34, 663-679.
(4) Goldberg, A.L., Etlinger, J.D., Goldspink, D.F., & Jablecki, C. (1975). Mechanism of work-induced hypertrophy of skeletal muscle. Med Sci Sports, 7(3), 185- 198.
(5) Rooney, K.J., Herber, R.D., & Balance, R.J. (1994). Fatigue contributes to the strength training stimulus. Med Sci Sports Exerc, 26, 1160-1164.
(6) Tesch, P.A., Colliander, E.B., & Kaiser, P. (1986). Muscle metabolism during intense, heavy-resistance exercise. Eur J. Appl. Physiol Occup Physiol, 55,362-366.
(7) Wernbom, M., Augustsson, J., & Thomeé, R. (2007). The influence of frequency, intensity, volume and mode of strength training on whole muscle cross-sectional area in humans. Sports Med, 37(3), 225-264.
(8) Schoenfeld, Brad. (2016). Science and development of muscle hypertrophy. Human Kinetics, Champaign IL.